Drossel, die zweite: O² dreht zu

Nachdem die Telekom im April letzten Jahres Ihre Drosselpläne bekannt gab (die im Dezember aber wieder zurückgezogen wurden), zog Telefonica O² im Oktober nach und führte eine sogenannte „Fair Flatrate“ im Kleingedruckten ihrer Tarife ein, die ab Juni 2014 greifen sollte, kürzlich aber auf Oktober 2014 verschoben wurde.

Die Argumentation von Telefonica O² folgt dabei dem Muster der Telekom: Der durchschnittliche Kunde verbrauche nur einen Bruchteil des enthaltenen Freitraffics, daher sei es nur gerecht, dass Poweruser stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Tatsächlich zeigt die starke Diskrepanz zwischen dem angeblichen Durchschnittsverbrauch von 21 GB und dem enthaltenen Freitraffic von 300 GB bei den Paketen M und L aber, dass das Gerechtigkeitsargument wieder nur zum schein benutzt wird.

Tatsächlich dürfte es, wie im Fall der Telekom-Drossel, wieder darum gehen, die Content-Anbieter an den Verhandlungstisch für die Buchung von sogenannten „special services“ (Stichwort Netzneutralität) zu zwingen. Seit Jahren versuchen die großen Zugangsanbieter zusätzlich auch bei den Content-Anbietern für den Transport zu kassieren. Die Content-Anbieter sind freilich nur dann für eine finanzielle Beteiligung zu gewinnen, wenn sie dadurch irgendeinen Vorteil erhalten. Die Qualität der bisherigen Internetzugänge ist aber vollkommen ausreichend für die Content-Anbieter. Die Drosselung soll nun die bisherige Leistung künstlich verschlechtern, so dass bei den Content-Anbietern die Motivation steigt, sich durch Zahlungen von der Drosselung freizukaufen, damit die Zugangskunden der jeweiligen Telekommunikationsanbieter weiterhin erreicht werden.

Der Versuch, die Content-Anbieter finanziell zu beteiligen, erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar, auf den zweiten Blick ist der gewählte Weg jedoch problematisch:

  1. Durch exklusive Partnerschaften zwischen manchen Content-Anbietern und manchen Zugangsanbietern wird den Wechsel des Zugangsanbieters erschweren, weil z.B. bereits erworbene Online-/Streaming-Inhalte über den neuen Zugangsanbieter nicht mehr nutzbar wären oder erneut erworben werden müssten. Schlimmstenfalls müssten Kunden sogar gleichzeitig mehrere Internetzugänge bereithalten um weiterhin alle Angebote in brauchbarer Qualität nutzen zu können.
  2. Die Ausnahme mancher Inhalte von einer Drosselung führt zu einer Benachteiligung aller anderen Inhalte, z.B. auch nicht-kommerzieller und privater Art und gefährdet damit eines der größten Vorteile des Internets: Die Möglichkeit des einzelnen, unkompliziert Inhalte zu publizieren bzw. Dienste anzubieten. Für viele kleine Unternehmen und Startups könnte das bereits vor der Betriebsaufnahme das Aus bedeuten.
  3. Bei den Zugangskunden wie auch den Inhaltsanbieter zu kassieren verändert das bisher etablierte Verfahren im Internet, das jeder Teilnehmer nur seinen direkten Upstream-Provider bezahlt. Müssten Inhaltsanbieter nun zusätzlich zum direktem Upstream-Provider auch viele Zugangsanbieter zusätzlich bezahlen, dann würden deren Angebote zwangsläufig teurer werden bzw. die Werbung auf den Plattformen müsste ausgebaut werden. Im Gegenzug wäre kaum damit zu rechnen, dass die Zugangsanbieter die Preise für Endkunden reduzieren.

Man erkennt, dass das Thema Netzneutralität nicht nur ein Luxusproblem ist sondern der einzige Weg um die bisher gewohnte Vielfalt im Internet weiterhin zu erhalten und die IT-Revolution bzw. Industrie 4.0 tatsächlich als Job-Motor zu nutzen.